Filmriss `55
Ich hab mir von James Dean eine Jacke geklaut
Ich habe sie in einen grauen Schuhkarton eingepfercht
Und sie konnte sich kaum beschweren nach all den Zeiten
Schon zu lange keine parfümierte Brust, kein blass geschminkter Hals, nur noch Ahnung von Whiskeydampf
Und das Ticken der goldenen Taschenuhr längt verstummt
Wer kehrt noch den Staub hervor unter dem gegilbten Kragen
Und wärs ein Clowncostüm in einer Spielzeugtruhe
Wo keiner Sonne Strahlen ätzen
Nur Schatten des Vergessens, kein Blinken farbiger Leuchten, kein Motordampf
Kein Fahrtwind auf rostigem Moped mit Tai-Chi auf der regennassen Lenkstange
Und dann zurück in meinen Film
Aufgeben hab ich nie gekonnt
Noch immer bleiben mir tausend Meilen
Ehe dein Bild verblasst und das Band sich löst im Filmgewitter am Horizont
Und T.S. Elliot sang von Krokodilen
Einen dumpfen Blues mit kerngesunder Melodie
Und fügte Schritt an Schritt
Und strich die Asche aus dem Auge beim Sprung durchs offene Fenster
Während die Sonne die Gardinen entlangschlich zwischen Eisblumen, Britney Spears und Orchideenblüten
Ein Schattenblumenstrauß noch immer an der Wand
Letzter Zeuge eines letzten Sommers
Während Tschingis Aitmatov in der Messehalle Samba tanzt, schon lange nicht mehr du
Schon lange nicht mehr du, du, violette Jeans,
Wacholderaugen, neue Ringe an den Händen und James Deans Jacke?
Ein Traumgeflecht im Altweibersommer
Ithaka
Männer, Männer! Männer hört her:
Das Jahr dreht wieder zu und es brüllt wieder das Meer
an den ewigalten Klippen von Ithaka.
Wie viele Monde haben mich nun auf meinem Lager liegen sehen,
der Liebe längst faul, mich kleinste Kreise ziehen sehen.
Soll ich’s Leben nennen, dass der Winter auf den Sommer folgt?
Ach wir mir ekelt vor den Fratzen, das ungeschlachte Volk,
der immergleiche Jammer und der immergleiche Ulk,
habe mich mürbe regiert und sabbernd, ewig sabbernd ins Herdfeuer gestarrt.
Kennt ihr denn nicht auch die Sehnsucht, habt ihr denn nicht selbst geklagt?
Wenn der Rost an euren wackern Herzen nagt,
Wenn die Küsten sich enger schnallen,
und die See mit allen Gefahren nicht schreckt.
Auf, Männer, setzt wieder die Segel,
und Kurs auf neue Galaxien!
Lasst uns nach vollem Tagen streben, gewinnen wieder das andere Ende der Dinge
und im Flug auf bis zum letzten Atemzug.
Man atmet hier und tafelt und man trinkt und schläft und fügt
Klumpen des Daseins aneinander, seht doch wie man sich betrügt,
und was wir hier versäumen, bleibt auf ewig unser Soll.
Soll ich denn wie die Schwemmholzsammler an den alten Fluten stehen?
Während die Ruder Muscheln nähren, und die Waffen bleichen, mit denen
ich zehn Jahre mit den Winden vor Ilion meine Muskeln gegerbt,
mich zehn Jahre mit den Riesen und den Göttern gemessen hab
aufbegehrt gegen das harte Erz und gegen das nasse Grab,
Umhergeschweift unstet und töricht und lüstern auf den Rest.
Wir sind alt geworden Männer. Doch wollen wir warten auf den Tod?
In meinem öden, schnöden Reich, zwischen müden Kötern und Schweinekot,
will nicht mit den Mägden, albern, weben am eigenen Leichentuch.
Nur zum Rasten mir zu schade, nur vom Ruhen abgebraucht
Abenteuerhörig. Männer hört: Der Himmel faucht
und die Winterstürme mahnen mit Lockgesang an Land.
Die Leinen los
Wir zogen tagelang den Sprotten hinterher
Durchs Nordrevier mit Kurs auf Faroh, zur Heimkehr
Heut Mittag schlief der Wind ein, spiegelglatt der Ozean
Am Horizont Vorboten eines Orkans
Der Luftdruck fiel und gleich darauf traf uns mit rauer Macht
Die erste schwere See, entfesselte die Schlacht
Da stieg dies Eiland aus den Fluten – welch Wunder – und wutentbrannt
Warf uns die See zu euch an Land
Gebt uns Quartier nur für diese eine Nacht
Und Zuflucht vor dem Sturm
Schon morgen, wenn er wieder andere Ufer umtost
Machen wir uns bereit und die Leinen..wieder..die Leinen los
Dort draußen in der alten Welt tobt die raue See
Vom Weltendampfer durchkreuzt auf seiner Odyssee
Ein Schiff, das keinen Hafen kennt, dem kein Ziel bestimmt
Und kein Leuchtturm am Horizont glimmt
Es rollt und stampft und zischt und dampft und dreht sich doch im Kreis
Kein Wunder, der Kommandoturm und der Ausguck sind verwaist
Mann über Bord, wen störts? Die Schraube treibt die Gier
Im Kielwasser schwimmen die Nutzlosen Spalier
Gebt uns Quartier nur für diese eine Nacht
Und Zuflucht vor dem Sturm
Schon morgen hält es keiner mehr von uns auf dem Lande aus
Dann stechen wir in See..volle Kraft..volle Kraft voraus
Sturmglocken peitschen einen Walzer durch die Nacht
Die Mannschaft wird von Korsaren überwacht
Fehlt noch, dass ihr Häuptling, der den Passagieren dreist
Das Paradies vorlügt, das Kommando an sich reißt
Schiffbrüchige lässt man dort draußen keine mehr an Bord
Die Schotten sind dicht, die Rettungsboote fort
Oder sie liegen nutzlos, an allen Enden leck
Auf dem Kreuzgang der Unterdrückten, dem Unterdeck
Nehmt zum Dank hier diesen unseren Fang
Vergelten möge er euern brüderlichen Empfang
Und wenn der Weltendampfer einst eure Wege kreuzt
Bleibt standhaft beim Salut: Schiff ahoi
Postkarten aus Kasachstan
Weil Jim Knopf mit den Ratten fault und Dr. House mein Herzblut immer nicht ins Schaukeln bringt,
weil auf Kommando gelacht nicht meins und mein Taschenradio nur noch Flakgeräusche empfängt
Eldorado hinterm Haus macht auch nicht so richtig Spaß
und New York ist auch schon tot – sagt man – und Chicago beißt wohl auch bald ins Gras,
und die Casting-Helden-Luftschlösser rosten schon
Aber morgen, morgen, morgen mach ich ziemlich hier davon,
Mach mich aus dem Staub, guten Mut im Gepäck
Neue Abenteuer, neue Fährnisse im Blick
Zieh den Wolken nach über Fluren und Meer
Die Länder entzwei, dem Großen Bären hinterher
Bis wo die Welt ein Ende nimmt
Und ab und an schick ich dir dann Postkarten aus Kasachstan
Die kommen dann mit der Eisenbahn bei dir vorgefahren.
Und ab und an ruf ich dann auch mal an aus Kasachstan,
und sag, dass ich jetzt zaubern kann,
und mein Kumpan Ivan hängt noch einen Gruß mit an –
aus Kasachstan.
Und die Erde trieft vor Himmel und die Wüstenfüchse saufen blonden Wein
Glasklar atmet die Steppe und das Leben dampft und rollt und stampft, glattgerupft und rein.
Und fühl ich mich allein, erzähl ich Ivan einen Kinderreim.
Weißt du Ivan, mein Freund, ein alter Wachsoldat, den seine Truppe hier vergessen hat
Der hält hier eisern seine Position
Und die Abend- Abend- Abendsonne flackert wie ein Gnom
Und die Nacht fällt sacht und die Nacht riecht nach Rauch,
im Zikadenrag unterm Ginsterstrauch
Nur ich und ich und ich und ich wie Jim Knopf
Und merk ich hab mal wieder richtig Platz im Kopf
dort wo die Welt ein Ende nimmt
Und ab und an schick ich dir dann Postkarten aus Kasachstan
Die kommen dann mit der Eisenbahn bei dir vorgefahren.
Und ab und an ruf ich dann auch mal an aus Kasachstan,
und sag, dass ich jetzt zaubern kann,
und mein Kumpan Ivan hängt noch einen Gruß mit an –
aus Kasachstan.
Und jeder Wind ist flink und lustig,
und was nicht brauchst, das musst nicht.
Und das Leben ist nackt und klar, ganz ohne Hype,
ohne abgepackte Späße, Seifenblasenheiterkeit,
und die Casting-Helden-Luftschlösser, was soll mir das schon?
Denn morgen, morgen, morgen, morgen mach ich mich hier davon.
Mach mich aus dem Staub, guten Mut im Gepäck,
neue Abenteuer, neue Fährnisse im Blicke.
Und sei’s nicht hier sei’s nicht dort, sei’s nicht Kasachstan
Ruf ich den Großen Bären am um zu fragen,
wo diese Welt ein Ende nimmt.
Rotachwasser vo letztem Johr
I woiss no guat, wie simma in üsrer Tenne ghuckt
Hond a klei gsoffe, a Freud ket ganz verruckt
An Frittagzobed erwart´ ma kaum, noh am Fuaßballa in Jugendraum
Und denn scho wieder im Country dean verhuckt
Ufgwahse mitanond, die coolste Gang vom gonze Lond simma gsi (homma gmuit)
Und hüt verstreut durch Raum und Zit und des sogenannte Erwachsensi
Hosch di kaum umgluogot, nimmts di scho wieder mit
An was di hosch klammere welle, blibt zruck und isch noch am Ogeblick
So wit fuat wies Rotachwasser vo letztem Johr
I woiss no guat, siahs wie in am Film in minem Kopf
Großmama am Buschla hindaram Schopf
Neabsam Buschelbock an junga Buab
Lost da Gschichta zua, die sem vazellt
Gschichta halt vo freia, us a untergangana, verschwundena Wealt
die Buschle vo mina Großmama sind längst verbrennt
und die Tschole us ihra Gschichta, die hüt kuin Mensch meh kennt
Sind verganga wies Rotachwasser vo letztem Johr
I woiss no guat, wie simma durch üser Dorf zoge
In a langsama, langa Prozession
D Fealder schnufen us no d Naht, d gonze Wealt hot Hochzitstag
A Bluamemeer jede Station
D Fahneträger vorn vorus, d Blosmusik hintadri mit da Firmkind
Und d Fahne vo da Hüser hond gflattert im Summerwind
Und Sputtla mit Kränz us Klee und Schofgarba i da Hoor
Vor am Boga us Buchsbom und Efeu rings ums Kirchator
Als verganga wies Rotachwasser vo letztem Johr
I woiss no guat, mir hond versuacht üs vorzumstelle
Wie nas si wird, wenn mir ou amol num sind
Uis isch gwiss, es wird allad, allad lofe wie nas allad gloffe isch
Im März sind uf zmol d Stara zruck, im April sind Fealder geal vo Subluame
Und d Rotach treit morn s Wasser fuat wie gestern scho
Und viellicht weret denn amol wieder ui ku
Die singe miasset, weil as loht na kui Ruah
Des Rotachwasser vo letztem Johr
Des Rotachwasser vo letztem Johr
Von Autos und Frauen
Gibt’s hier denn noch was zu trinken oder ist der Laden schon lang geschlossen?
Hab nur gedacht hier gäbst noch Licht und das Tor war auch grad noch offen?
Und der Mond mich geleitet und mich dir gradwegs vor die Tür geführt?
Bin ja so froh dass hier noch Leute wohn
dass während sich die ganze Stadt schlafen gelegt hat,
hier – wenn auch matt und müd’ – noch eine Hoflaterne glüht.
Komm gibt mir noch Gläschen und dann erzähl noch ein Späßchen,
hab wieder viel zu lang Traurigkeit getankt
schenk auch dir noch eins ein,
und dann tun wir mal so als wollten wir hier fröhlich sein
und machen uns zu zweit
eine saugute Zeit
reden wenns dir gefällt
über Gott und die Welt,
oder über Autos und Frauen
bis zum Morgengrauen
Ich hoff es stört dich nicht, dass ich mein Gastgeschenk grad eben selbst vertrink.
Und dass ich nicht ungeniert bin, weil ich hier einfach reinspaziert bin.
Es ist wohl keine ganz normale Sache dass ich mich einfach so zugegen mache
Doch draußen im Quartier,
hab ich keine Freunde mehr
und mit den Ratten und Katzen hab ich nichts mehr zu schwatzen,
und mit den Nachtwächtern red ich halt nicht so gern.
Und wenn dein Radio was kann rufen wir bei der Wunschbox an,
wünschen uns Lied, das es vielleicht noch gar nicht gibt,
Oder vielleicht hast ja was aufm Kasten und wir reden hier gelassen
über Heine oder über Jean Paul über Curt Kobain und über Rock ‚Roll
Komm stoß mal an, der Rest ergibt sich dann.
Warten auf Godot
Die Schokolade, gekauft für deinen Geburtstag, hab ich selber gekaut und verdaut
Bitterschokolade in Preiselbeerschnaps in Versüßungsabsicht getaucht
Schau her, da drüben geht ein Regenschirm Hand in Hand mit einer Dirn spaziern
Und ihr Hund ist so bunt wie dein Haar
Sie werden von einer Straßenbahn verschluckt, zum Tausch wird so ein Burgerbürger ausgespuckt
Und der Postmann fährt wie jeden Tag vorbei
Die Ampel blinkt Tatütata, alles so, wies immer war
nur nicht aufstoßen, es soll so sein
Und ich, ich füge mich ins Vermeidliche, einfach so - Warten auf Godot
Die Leute sehen heute so grindig aus, keiner mit Farbe im Gesicht
Und die Stadt, die dich verschlungen hat, liegt satt und matt da
Und ich hab beschlossen, heut beschließ ich nichts mehr, durchquer das Vorstadthäusermeer im Abendverkehr
Dann mit der Metro wieder retro bis Pavlova
Dort sitz ich schon wieder als einziger drin, die Metroschwellenmetrik brennt sich metertief ins Hirn
Und ein Tunnel oder gar die Dämmerung bricht herein so wie auch
Wie auch die Erkenntnis, die mich immer öfter beschleicht, dass das Morgen von heute dem von gestern gleicht
Und das Heute morgen wie das Gestern heute ausschaut
Und ich, ich füge mich ins Vermeidliche, einfach so - Warten auf Godot
Warten auf Godot – mit dem Dröhnen der Busse und Straßenbahn im Ohr
Warten auf Godot – und dass heute gestern morgen war weiß ich sowieso
Warten auf Godot – Bohnenziehen in diesem Garten aus Beton
Und in jeder Stadt gibt es irgendwo so ein Nirgendwo, da steht ein alter Depp und wartet auf Godot
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